Mit Strukturmitteln des Landes als Zuschuss will der Landkreis Diepholz eine Zentralklinik errichten – in sieben bis zehn Jahren.
Landkreis Diepholz – Eine Zentralklinik, die auch eine Geburtshilfe und eine hochwertige Schlaganfall-Behandlung bietet: Das ist zurzeit eine Vision, die aber in zehn Jahren durchaus Realität sein könnte, derzeit gibt es beides im gesamten Kreis nicht. „Der Landkreis Diepholz beantragt Mittel aus dem Krankenhausstrukturfonds für einen zentralen Klinikneubau“, erläutert Landrat Cord Bockhop in einer Pressemitteilung.
400 Millionen Euro umfasst dieser Topf, aus dem alle Krankenhäuser in Niedersachsen Geld beantragen können. Wer am Ende wie viel Geld erhält, das wird in Hannover entschieden.
Für einen Klinikneubau mit rund 350 Betten hofft der Landkreis Diepholz aus diesem Topf auf Investitionszuschüsse. „Ohne den noch notwendigen, bevorstehenden Diskussionen und Entscheidungen des Kreistags vorzugreifen“, betont Cord Bockhop. Seiner Einschätzung nach werden die Kosten für ein solches zentrales Krankenhaus rund 200 Millionen Euro betragen – bei einem Planungs- und Realisierungshorizont von bis zu zehn Jahren und unter Berücksichtigung denkbarer Kostensteigerungen in dieser Zeit.
Der Landrat sieht aber in einem zentralen Neubau „die Chance auf eine nachhaltige und dauerhafte Sicherung der bestehenden akutstationären Gesundheitsversorgung im Landkreis Diepholz.“ Und: „Eine Zentralisierung bedeutet auch eine Chance, neue, für die Bevölkerung wichtige Leistungsangebote wie Geburtshilfe neu zu etablieren und vielleicht sogar eine Kinderklinik zu errichten.“ Auch eine Schlaganfallbehandlung könne realisiert werden. Ausdrücklich weist der Landrat darauf hin, dass dies alles im Rahmen einer Diskussion zur Gesamtstrategie und zur Umsetzung mit allen Beteiligten noch geklärt werden müsse.
Sieben bis acht Hektar Fläche notwendig
Angesichts des Realisierungshorizontes von gut einem Jahrzehnt sind noch viele Fragen offen. „Wir können noch gar nicht über einen Standort sprechen“, so der Landrat. Zu klären sei auch, welche Anforderungen – räumlich, rechtlich und strukturell – für die Fläche für einen solchen Zentralbau gelten, so Bockhop. Sieben bis acht Hektar würden gebraucht. Der Landrat bestätigte seine Aussage: „Wenn wir noch einmal über strukturelle Veränderungen sprechen, dann über einen zentralen Neubau, der nicht an einem der jetzigen drei Standorte liegt.“ Das hatte er bereits in einem Interview mit dieser Zeitung (siehe Ausgabe vom 17. Juli) deutlich gemacht.
Zentralbau: Geschäftsführer sieht große Vorteile
Als Geschäftsführer der Kliniken im Landkreis Diepholz sieht Uwe Lorenz in einem Zentralbau große Vorteile. „Eine Zentralisierung in einem modernen Krankenhausbau mit entsprechenden Strukturen und Prozessen könnte die Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal und Ärzte deutlich verbessern; die Klinik würde damit als Arbeitgeber attraktiver und die Arbeitsplätze könnten dauerhaft gesichert werden“, wird Lorenz in der Pressemitteilung zitiert.
Gemeinsam mit dem Kreistag stelle er sich seit 2011, so Bockhop, den sich ständig ändernden, aber auch wachsenden Herausforderungen im Gesundheitsbereich: „Selbst wenn es in sieben bis zehn Jahren zu einer Zentralisierung kommen sollte, so wären damit die drei Standorte Diepholz, Bassum und Sulingen rund 15 Jahre erfolgreich in dieser schwierigen Phase erhalten worden.“
Das sagen die Fraktionsvorsitzenden im Kreistag
Volker Meyer (CDU, 21 Mitglieder)
„Wenn man langfristig die Anforderungen an die medizinische Qualität und die gesetzlichen Vorgaben erfüllen und Angebote wie Geburtshilfe, Gynäkologie und Schlaganfall-Behandlung schaffen will, ist eine Zentralklinik langfristig der einzige Weg, den man gehen kann. Das ist auch ein wichtiges Signal für das Personal.“ Deshalb habe die CDU-Kreistagsfraktion einen einstimmigen Beschluss zum Zuschuss-Antrag gefasst.
Astrid Schlegel (SPD, 17)
„Es geht darum, den Fuß in die Tür zu bekommen, weil es um Fördermittel geht.“ Die SPD-Fraktion müsse sich jetzt erst einmal informieren und diskutieren. Genauso müsse man genau schauen, was für eine zukünftige Zentralklinik alles notwendig sei. „Es ist ein ganz großer Schritt und man muss das so kommunizieren, dass wir alle dahinter stehen.“ Man sei in der ersten Phase der Diskussion.
Ulf Schmidt (Grüne, sieben)
„Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Es wird immer schwieriger, Pflegekräfte und Ärzte zu finden. Mit externen Kräften wird der Dienst aufrecht erhalten – was viel Geld kostet.“ Bei einer Zentraklinik gehe es nicht allein um die medizinische Versorgung, sondern auch die um die Schaffung neuer Angebote. „Und es geht auch um bessere Bedingungen für das Personal. Es ist gut, nach vorne zu schauen.“
Rolf Husmann (FDP, fünf)
„Wenn wir jetzt die Chance haben, an Fördergelder heranzukommen, die es in den kommenden Jahren wohl nicht mehr geben wird, sollte man versuchen, das Geld in den Landkreis zu holen.“ Kleine Kliniken mit allen aktuellen Vorgaben wirtschaftlich zu führen, sei nicht mehr möglich. „Das haben wir 2015 noch nicht gewusst. Und wir müssen diese Vorgaben jetzt mal drei erfüllen – an allen drei Standorten.“
Hermann Schröder (FWG, fünf)
„In Kenntnis der personellen und finanziellen Probleme der drei Kliniken haben wir uns dazu entschlossen, diesen Weg in Richtung einer zentralen Klinik zunächst mitzugehen.“ Es gebe noch keine genauen Zahlen und Planungen. „Aber man muss sich, wenn man Mittel aus dem Strukturfonds in Anspruch nehmen will, schnell entscheiden.“ Deshalb werde der Zuschuss-Antrag von der FWG-Fraktion geschlossen unterstützt.
Harald Wiese (AfD, vier)
„Im Augenblick sprechen wir über die Prüfung der Möglichkeiten. Unser Ziel ist es, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung auf Dauer zu sichern. Eine Zentralklinik bietet auf jeden Fall Größenvorteile. Operationen können in größerer Zahl abgewickelt werden und das bedeutet, dass künftig unter Umständen auch weitere Leistungen angeboten werden können.“
Peter Fassbinder (Die Linke, zwei)
„Einerseits ist eine Zentralklinik auf Dauer leistungsfähig. Aber es gibt Fragen: Was bedeutet das für unseren Flächenlandkreis? Was geschieht in den nächsten zehn Jahren? Was ist mit der bisherigen medizinischen Infrastruktur?“ Zu hinterfragen sei auch, ob man eine hoch spezialisierte Klinik mit allen Facetten brauche. „Oder reichen drei Standorte mit kleinerer medizinischer Versorgung?“
Presseartikel erschienen in der Kreiszeitung am 17. August 2019, vonAnke Seidel