Eine Zukunft als „Lotse“ für Patienten?

SPD-Landtagsabgeordnete Hanna Naber zur möglichen Nachnutzung für die Klinik Sulingen

Sulingen – Das Ende der Klinik Sulingen als vollwertiges Krankenhaus ist beschlossene Sache – auch wenn die sogenannte „Zentralklinik“ in Twistringen-Borwede bislang nur auf dem Papier oder als Modell existiert. Wie eine medizinische Versorgung für die Menschen im Sulinger Land künftig aussehen kann, war am Mittwoch das Thema einer Veranstaltung, zu der die SPD-Landtagskandidatin Wiebke Wall ihre Parteifreundin, die Landtagsabgeordnete Hanna Naber eingeladen hatte.

Die Oldenburgerin war Mitglied der Enquetekommission zur „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen – für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe
medizinische Versorgung“, auf deren Arbeit die im Juni verabschiedete Neufassung des Krankenhausgesetzes für Niedersachsen basiert. In der Kommission seien während der Pandemie ganz neue Fragestellungen aufgetaucht für Krankenhäuser. Eine der wichtigsten: „Wie viel mehr müsste uns Gesundheit wert sein?“ 

Bei allen sicher damit verbundenen Bauchschmerzen müsse sie dem Landkreis zu der Entscheidung gratulieren, drei Kliniken zu einem Klinikum zusammenzufassen, denn das entspreche den Empfehlungen der Kommission. Viele kleine Krankenhäuser könnten den Qualitätsanforderungen des Bundes nicht mehr nachkommen, weil sie nicht auf genügend Operationen und Behandlungen kommen, und auch mit der personellen Ausstattung hätten sie Schwierigkeiten. Daher seien große Kliniken gut im Sinne der Patientensicherheit, und schon jetzt suchten sich die Patienten ihre Klinik aus bei planbaren, schwerwiegenden Eingriffen, so Naber.

Trotzdem gelte: „Wir müssen eine medizinische Grundversorgung gut hinbekommen, ohne dass die Menschen gleich zum Klinikum nach Twistringen müssen.“ Die Enquetekommission habe dafür das Konzept der
Regionalen Gesundheitszentren (RGZ) entwickelt – Häuser, in denen ganz verschiedene Leistungserbringer ihrer Tätigkeit in Kooperation nachgehen. Als Modellprojekte würden solche Zentren vom Land gefördert, aber „man
muss sich dafür früh auf die Füße machen.“

Zu den Basiselementen als Voraussetzung für eine Förderung gehöre eine ambulante allgemeinärztliche und internistische Versorgung, erläuterte Naber, aber auch die Übernahme einer „Lotsenfunktion“ und des „Case Managements“ für das Klinikum – und zwar als „24 / 7-Anlaufstelle“, also rund um die Uhr. Ebenfalls zwingend dazu gehöre eine „bettenführende Pflegeeinheit“, in der die Vor- und Nachsorge von Eingriffen ebenso möglich ist wie die Kurzzeitpflege.

Optional könne das ergänzt werden um weitere Heilmittelerbringer, etwa zusätzliche Fachärzte, Pflegedienste, Apotheken, Sanitätshäuser, Optiker, Rettungswache, ambulante OP-Versorgung oder Tagespflege, zählte Naber auf. Allerdings müssten die Kommunen mitmachen: „Man muss sich über Ausgestaltung, Rechtsform und Finanzierung im Klaren sein, und je schneller, desto eher ist eine Förderung vom Land möglich.“

Für jede der drei bisherigen Standortkommunen habe der Landkreis jeweils 50 000 Euro bereitgestellt für die Entwicklung eines Nachnutzungskonzepts, merkte Wall an, und damit könne ein RGZ geplant werden. Es wäre für das
ganze Sulinger Land ein Gewinn, auch ohne die Ärzte aus den umliegenden Samtgemeinden nach Sulingen zu holen. Es könne kein Anbieter zum Mitmachen gezwungen werden, ergänzte Naber, aber ein RGZ könne auch „Satelliten“ haben, beispielsweise eine Praxisgemeinschaft in Kirchdorf, die in dessen Trägerschaft arbeite. Ein RGZ könne auch mit angestellten Ärzten arbeiten, die so besser Familie und Beruf miteinander vereinbaren könnten als in der eigenen Praxis.

Der Finanzierungsmix für ein RGZ werde nicht einfach, räumte Naber ein, aber als Gesellschaft müsse man auch darüber diskutieren, dass die medizinische Versorgung auskömmlich, aber nicht profitabel ist. Durch das Klinikum in Twistringen entstehe eine Herausforderung für den ganzen Landkreis, und der dürfe daher bei der Finanzierung nicht aus der Verantwortung entlassen werden: „Der Landkreis muss ein Interesse haben an einer flächendeckenden, wohnortnahen Grundversorgung.“

Große Zweifel an diesem Interesse meldete ein Zuhörer, schließlich habe der Kreistag alles daran gesetzt, die Klinik nach Twistringen zu bekommen. Das Interesse ergebe sich aus zwei Aufgaben des RGZ, entgegnete die Abgeordnete: Die Einrichtung erledige zum einen die Zuweisung von Patienten zur Klinik, und zum anderen entlaste sie das Krankenhaus um Aufgaben wie die Nachsorge, die für eine Klinik „lästig und wenig profitabel sind.“ Dafür etwa sei das „Case Management“ wichtig, um zu verhindern, dass Menschen die Notfallambulanz in Anspruch nehmen, ohne dass es dafür einen medizinischen Grund gibt.

Ihr Wunsch sei, die Versorgung dicht an den Menschen zu haben, sagte Wall, und „dafür müssen möglichst viele Akteure versammelt werden.“

Kreiszeitung Syke/Weyhe/Stuhr / Sulinger Land, 08.07.2022