Die Architektur des Kreiskrankenhauses in Twistringen ist nahbar, lichtdurchflutet und mit vielen nachhaltigen Elementen geplant. In Betrieb gehen soll das Haus 2028.
Twistringen. Ins Krankenhaus geht kaum ein Patient freiwillig. Wenn die Klinik dann auch noch mit einer abstoßenden, kühlen oder gar unfunktionalen Architektur daher kommt, wird der Aufenthalt besonders belastend. Das wollen die Verantwortlichen für das neue Kreiskrankenhaus in Twistringen unbedingt vermeiden. Am Mittwoch stellten die Architekten Michael Ludes und Matthias Ludes im Twistringer Rathaus der Sozialministerin Daniela Behrens (SPD), Kreis- und Landtagsabgeordneten und Klinikvertretern die Gestaltungspläne für den mindestens 200 Millionen Euro teuren Neubau mit 344 Betten vor.
Ausgetreteme Pfade verlassen
Michael und Matthias Ludes (Vater und Sohn) haben langjährige Erfahrung im Segment Klinikbauten. Im Fall Kreiskrankenhaus sei die Absicht der Verantwortlichen spürbar gewesen, "ausgetretene Pfade zu verlassen. Wir fühlten uns angesprochen, mutiger zu sein", sagte Michael Ludes. "Wir brauchen eine menschliche, eine nahbare Architektur." Die Architekten sehen einen "gelagerten Baukörper" vor, "der sich in die Landschaft schmiegt" und landschaftlich gestaltete Innenhofflächen hat. Äußerlich kommt das Hauptgebäude als dreigeschossiger Bau daher, hinzu kommt ein Tiefgeschoss für die Technik.
Im Eingangsbereich wirkt das Gebäude eingeschossig. Durch die niedrigschwellige Bauweise möchten die Architekten "Schwellenängste abbauen". Ziel sei "ein Gebäude, das vertrauenerweckend ist. Und nicht den Klinikcharakter nach außen hin zur Schau trägt." Ein wichtiges Thema ist für Ludes das Licht. "Jeder Patient schaut in die Landschaft." Auf Höhe des ersten Stockes ist ein von allen Pflegebereichen zugänglicher Dachgarten vorgesehen, mit Aufenthalts- und Begegnungszonen für Pflegende und Patienten. Geplant ist dort eine Bepflanzung mit Sträuchern und kleineren Bäumen. Bei der Fassade setzen die Architekten auf Holz, "auch der ökologische Aspekt spielt eine Rolle", so Michael Ludes. "Für die CO2-Bilanz des Ganzen ist das schon erheblich."
Herzstück Enbindungsstation
Laut Matthias Ludes hat das Krankenhaus zwei Pflegeebenen. Die Notaufnahme und die Entbindungsabteilung sind im Erdgeschoss verortet. "In Umfang und Größe ist die Entbindungsabteilung ein Kernstück dieses Krankenhauses." Für die Gebärenden ist eine ebenfalls nach "außen orientierte" Aufenthaltszone geplant. Die Wöchnerinnenstation liegt "Tür an Tür" zur Entbindungsstation. Hell und großzügig ist auch die Cafeteria für Mitarbeitende und Besucher angelegt. Zudem sehen die Planungen im Erdgeschoss Service- und Konferenzbereiche und eine "Pflegestation für Kurzlieger" vor. An die ebenerdige Notaufnahme schließen sich Bereiche wie die Radiologie, Sterile Güter und der OP-Flur an.
Servicegebäude und Wirtschaftshof bekommen eine separate Zufahrt. Auf der jetzt noch als Acker genutzten, neun Hektar großen Fläche entsteht zudem ein Parkhaus "mit einem attraktiven Gestaltungsbild". In Sachen Energie setzen die Planer auf die Windkraft, sie soll einen großen Teil des Energiebedarfes decken. Flankiert wird die Windkraft mit einer Photovoltaikanlage und einem Eisspeicher für den Wärme- und Kältebedarf. Die Notstromerzeugung per grünem Wasserstoff steht ebenfalls auf der Agenda.
Die Ärzteschaft, die Pflegerinnen und Pfleger und der Betriebsrat der drei Kliniken im Landkreis waren eng in die Planungen eingebunden. Dabei berücksichtigt wurden unter anderem die von einem Kinderarzt aus dem neuen Klinikum Bremen-Mitte eingebrachten Anregungen, etwa zur Größe und Lage von Ärztezimmern und Backoffices.
200 Millionen Euro vom Land
Ministerin Behrens geht davon aus, dass das Land Niedersachsen mindestens 200 Millionen Euro für den Bau zur Verfügung stellt, gespeist aus Strukturfondsmitteln des Bundes und Eigenmitteln. Die genaue Summe könne der Krankenhausplanungsausschuss des Landes erst nach der baufachlichen Prüfung beschließen. Mögliche Kostensteigerungen, etwa wegen der explodierenden Baukosten, würden ebenfalls berücksichtigt.
"40 Prozent der Babys in der Stadt Bremen sind niedersächsische Babys", sagte Behrens. "Wir brauchen eine Geburtsstation im Landkreis Diepholz. Das Projekt Diepholz ist überall sehr unterstützt." Sie hofft auch auf eine bessere Vernetzung ambulanter und stationärer Angebote im Landkreis. Pro Jahr bringen die Frauen aus dem Kreis Diepholz übrigens rund 1000 Babys zur Welt.
Die Klinik soll laut Landrat Cord Bockhop im Jahr 2028 in Betrieb gehen. Parallel zu den Neubauschritten werden Konzepte für die derzeitigen Klinikstandorte in Sulingen, Bassum und Diepholz erarbeitet. Auf dem Gelände in Twistringen ist noch viel Puffer, etwa für die Erweiterung der Klinik oder die Ansiedlung von Fachpraxen.
Oldenburgische Volkszeitung, 11.08.2022