Twistringen – Baubeginn 2024, Inbetriebnahme 2027/2028. So sieht der Wunschzeitplan für die geplante Zentralklinik in Borwede aus. Zumindest für Landkreis, Klinikverbund und die anderen Beteiligten.Ob das so hinhaut, hängt von vielen Faktoren ab.
Einer davon ist, ob es Klagen geben wird. Das erklärte Erster Kreisrat Wolfram van Lessen kürzlich bei einem Pressetermin (wir berichteten). Thomas Tegge, der einen Resthof in Borwede besitzt, ist sich sicher: Da werden Klagen kommen. Nicht zuletzt von ihm selber.
Dass Tegge die geplante Klinik mehr als kritisch sieht, ist nicht neu. Noch bevor der Kreistag final über die Standortfrage entschied, hatte Tegge Unterschriften gegen eine Klinik in Borwede gesammelt. Auch jetzt, anderthalb Jahre später, lässt er nicht locker. Im Zuge des Bauleitverfahrens der Stadt Twistringen habe er mit seinem Anwalt Einwände vorgebracht, erzählt Tegge im Gespräch mit der Kreiszeitung. Eine Klage solle beizeiten folgen.
Thomas Tegge schüttelt immer wieder verständnislos den Kopf, wenn er über die geplante Klinik redet. Er spricht von immenser Flächenversiegelung sowie die Verdrängung von Hasen und anderen Tieren. Umwelt und Natur würden zerstört. Der Verkehr nehme zu. „Dann werden auch Hubschrauber fliegen. Das bedeutet Lärm, auch in der Nacht.“ Nicht zuletzt findet er: Die Bürger hätten früher einbezogen werden müssen.
Nicht nur er sehe den Standort kritisch, schildert Tegge. „Es gibt Einwände auch aus der Industrie und Landwirtschaft.“ Besonders sauer stößt ihm auf, dass das Krankenhaus in der Nähe von landwirtschaftlichen Flächen gebaut werden soll. „Die Landwirtschaft kann sich dann nicht mehr hin zur ökologischen Landwirtschaft entwickeln.“ Offene Ställe und Außenhaltung seien mit höheren Emissionen verbunden. Und das ließe sich mit einem Krankenhaus vermutlich nur schlecht vereinbaren, begründet Tegge.
Der Landvolkverband Mittelweser muss sich als Berufsverband laut Pressesprecher Tim Backhaus zu der Standortfrage grundsätzlich neutral verhalten. „Würden wir für einen Alternativstandort plädieren, wären andere betroffene Landwirte verärgert. Grundsätzlich fordern wir für unsere Mitglieder aber die Wahrung von Entwicklungsmöglichkeiten.“
Der Landvolkverband Diepholz, dessen Bereich kurz hinter Borwede beginnt, ist am Bauleitverfahren selbst nicht beteiligt. Laut Pressereferent Stefan Meyer haben sich trotzdem Landwirte ähnlich kritisch an den Verband gewandt. Und man könne „die Sorgen der landwirtschaftlichen Betriebe nachvollziehen, dass die Klinik den von der Gesellschaft eingeforderten Umbau der Nutztierhaltung an dem Standort massiv erschwert oder gar unmöglich macht.“ Twistringens Bürgermeister Jens Bley sagt: „Das Zentralklinikum wird nicht dazu führen, dass die Felder nicht weiter bestellt werden können. Das Ausbringen von Gülle wird unter den jetzigen Vorschriften möglich sein, wie auch das Beackern der Felder.“ Das Errichten eines Stalls in unmittelbarer Nähe könne aber sicherlich problematisch sein.
Die Menge der Einwände, die im Zuge der frühzeitigen Beteiligung zum Bauleitverfahren vorgetragen wurden, hält Bley für „im Kontext zu dem Großbauprojekt eher überschaubar“. Wie es für ein Bauleitverfahren üblich ist, gehe die Stadt den Einwänden nach.
„Der Bau des Zentralkrankenhauses wird unweigerlich zu einer Bodenversiegelung führen – wie auch Wohnbauprojekte, Gewerbebau, Rad- und Straßenbau“, sagt Jens Bley. Die Stadt Twistringen habe zwischenzeitlich andere Bauleitverfahren durchgeführt. Da hätten sich die Klinikgegner nicht an der Versiegelung gestört. In Borwede seien bewusst Flächen gewählt worden, „die ökologisch selbstverständlich relevant sind, jedoch im Gegensatz zu Grün- oder Waldflächen eher einen geringen Wert für das Klima und den Naturschutz haben.“ Die versiegelte Fläche würde ausgeglichen, unter anderem durch Begrünung auf dem geplanten Klinikgelände.
Und ja, das Verkehrsaufkommen werde steigen, meint der Bürgermeister. Doch: „Im Verhältnis zur bereits bestehenden Belastung wird das erhöhte Aufkommen nicht gewichtig sein.“ In der Gesamtsumme sei das Verkehrsaufkommen hingegen viel zu hoch für die Stadt. Daher sei es erforderlich, die Planungen für die Ortsumgehung zu forcieren. „Die Ansiedlung des Zentralkrankenhauses könnte gegebenenfalls in der Argumentation behilflich sein, die Planungen zu beschleunigen.“
Hubschrauberlärm sei kein Problem, da die Gegend dünn besiedelt sei.
In puncto Bürgerbeteiligung führt Bley aus: Der Kreistag habe schon vor längerer Zeit entschieden, eine Zentralklinik zu bauen, ganz unabhängig von der Standortfrage. Die Stadt Twistringen habe sich dann – nach der Legitimation der Politik – mit Flächen in das Bewerbungsverfahren eingebracht. Diese seien der Öffentlichkeit vorgestellt worden. „Bis zur abschließenden Entscheidung hat es seitens der Öffentlichkeit keine Hinweise gegeben, dass die eingebrachten Flächen aus Sicht der Bevölkerung nicht geeignet sind.“ Darüber hinaus habe es mehre Infoveranstaltungen gegeben. Eine weitere stehe bald an. Bei der gehe es um das zukünftige Verkehrsaufkommen in Borwede. Ein Termin steht noch nicht fest.
Diepholzer Kreisblatt, 19.11.2022