Landkreis Diepholz - Das erste Zimmer der Zentralklinik nimmt bereits Gestalt an, obwohl noch kein einziger Stein für das Haus gesetzt ist. Aber der Klinikverbund baut im Krankenhaus Bassum bewusst das erste Zimmer für die Zentralklinik nach - ein Prototyp als Praxistest. „Ohne Decke'', sagt Klinikverbund-Geschäftsführer Uwe Lorenz über den baulichen Aufwand. Zweck dieses neuen Zimmers ist es, zukünftig optimale Dimensionen für die Versorgung der Patienten zu gestalten und deshalb im Vorfeld überprüfen zu können.
In anderen lebenswichtigen Bereichen wäre dieser Aufwand allerdings zu hoch: ,,Wir können keinen Operationssaal nachbauen", erklärt Uwe Lorenz. Aber die Planer können sich Zukunftstechnologien zunutze machen - per 3D-Brille. Über die Software BIM (Building Information Modeling, also Gebäudedatenmodellierung) lassen sich demnach alle Sektoren in Qualität und Ausstattung virtuell nachbilden - wie besagter OP-Saal, die optimale Funktionsweise der Zentralküche, die Strukturen des Parkhauses oder des Servicegebäudes und andere mehr.
Die 3D-Technik ist laut Klinikverbund-Geschäftsführer eine enorme Hilfe, um Planungsfehler zu vermeiden: In der dreidimensionalen Sichtweise entdecke man sofort, wenn eine Leitung mitten durch ein Patientenzimmer führen würde, nennt er ein konkretes Beispiel.
In die Planung fließen - ebenso wichtig - aber genauso die ganz praktischen Erfahrungen der Klinikverbund-Mitarbeiter ein: der Ärzte, der Pflegekräfte, des Servicepersonals. Sogenannte „Nutzergruppen" hat der Klinikverbund gebildet, die sich strukturiert in die Planung einbringen können. Uwe Lorenz nennt ein Beispiel: ,,Die Nutzergruppe Intensivstation hat im Rahmen geltender Vorgaben die Planung so gestalten können, wie sich die Mitarbeiter ihre Arbeit vorstellen."
Genau das sei dem Generalplaner übermittelt worden, so Uwe Lorenz, der diese Vorstellungen überprüft und dann die Möglichkeiten zurück gespiegelt habe: ,,Das läuft schon seit eineinhalb Jahren so!" Nicht nur für den Bereich der Intensivstation, sondern auch für den der Pflege und für die zentrale Notaufnahme. Selbstverständlich sei auch der Betriebsrat eingebunden.
Es ist eine herausfordernde Aufgabe, denn bei der Planung der Zentralklinik müssen die Verantwortlichen auch Möglichkeiten der Zukunft berücksichtigen, die heute noch gar nicht absehbar sind - wie der Einsatz der Robotik. Selbst wenn im Jahr 2028 - dem geplanten Eröffnungstermin der Zentralklinik - noch Klinken an den Türen Standard wären: Schon heute müssen automatische Öffnungssysteme mitgeplant werden, damit die Robotik in der Zukunft funktioniert. Dann, wenn es zu wenig Menschen für solche Transportleistungen geben sollte.
Genau deshalb müssen Klinikverbund, Mitarbeiter und Planer schon heute unscheinbare Details in den Blick nehmen. Uwe Lorenz nennt ein Beispiel:
,,Wie groß müssen die Tabletts sein, auf denen wir den Patienten die Mahlzeiten servieren?" Denn davon hängt wiederum die Größe der Essens-Transportwagen ab - und ebenso die Frage, an welcher Stelle die Stromanschlüsse in den Stationsküchen gesetzt werden müssen.
Will heißen: Viele kleine Räder müssen so geformt werden, dass sie reibungslos miteinander verzahnt werden können - auch mit den großen, lebenswichtigen. ,,Die zentrale Notaufnahme soll perspektivisch mit dem Rettungsdienst vernetzt werden", berichtet Uwe Lorenz über eine buchstäblich lebensrettende digitale Verbindung. Das konkrete Beispiel: Versorgt der Rettungsdienst einen Patienten mit Symptomen eines Herzinfarktes, könnten die Rettungssanitäter die Ergebnisse der ersten Untersuchung direkt an die Notaufnahme der Zentralklinik senden. Noch bevor der Rettungswagen in Borwede eintrifft, könnten also alle Behandlungsschritte für den Patienten vorbereitet sein.
Solche Verknüpfungen plant der Klinikverbund nicht allein, sondern arbeitet intensiv mit Experten zusammen - genauso beim Hygienekonzept für die Klinik: ,,Eines der bundesweit führenden Institute", so formuliert es Uwe Lorenz, sei Partner des Klinikverbunds.
Aus drei mach eins
Aus drei mach eins: Den jeweils unterschiedlichen Arbeitsalltag der - baulich völlig unterschiedlichen - Kliniken in Bassum, Sulingen und Diepholz zu synchronisieren, gehört ebenso zu den herausfordernden Aufgaben der Planung. ,,Wir wollen die Arbeitsabläufe standardisieren", kündigt Uwe Lorenz an. Status quo ist Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen werden in unterschiedlichen Häusern versorgt - aber künftig in einem. Das könnte ein enormer Vorteil für solche Menschen sein, die mehrfach erkrankt sind - wie der Diabetiker mit einem Beinbruch.
Seine medizinische Geschichte wäre in der digitalen Krankenakte nachzulesen. Will heißen: Die Digitalisierung ist ein elementarer Bereich der Planung. Medizinische Dokumentationen auf Laptops und iPads sollen wertvolle Zeit sparen, auch mithilfe der Spracherkennung, stellt Uwe Lorenz klar - und ebenso: ,,Wir werden ein Patientenportal haben, von dem sich die Patienten von zu Hause aus anmelden und Informationen austauschen können." Auch das Aufnahme- und Entlassmanagement soll digitalisiert werden - ebenso das Catering-Konzept: ,,Wir wollen möglichst auf Papier verzichten.'' Trotzdem ist, weil es ohne Plan B erfahrungsgemäß oft nicht geht, auch eine Rohrpost Bestandteil der Planung.
Genauso wie das Energiekonzept: Vor allem aus Windkraft soll die Energie der Zentralklinik gespeist werden. ,,Aber auch Photovoltaik wird geprüft", sagt der Klinikverbund-Geschäftsführer. Sowohl in Wärme als auch Kälte solle diese Energie gespeichert werden. Nur beim Notstrom-Aggregat macht der Klinikverbund keine Kompromisse: ,,Das wird aus fossilen Energien gespeist werden müssen", erklärt Uwe Lorenz. Denn kommt es zum Einsatz, geht es immer um Leben und Tod.
An welchem Punkt steht der Klinikverbund planungstechnisch derzeit? ,,Wir sind in der Entwurfsplanung", beschreibt der Klinikverbund-Geschäftsführer den aktuellen Stand. Diese extrem facetten- und detailreiche Planung soll bis zum Juni 2023 abgeschlossen sein. ,,Dann geht es in die Ausführungsplanung", nennt Uwe Lorenz den nächsten wichtigen Schritt.
Unverzichtbare Partner des Klinikverbunds sind seit dem Kreistagsbeschluss für die Zentralklinik das niedersächsische Landesamt für Bau und Liegenschaften sowie das Sozialministerium. Denn das Land ist ein unverzichtbarer Geldgeber für die Zentralklinik. Erst im August hatte Sozialministerin Daniela Behrens die Finanzierungszusage des Landes erklärt (wir berichteten).
Uwe Lorenz ist praktisch im ständigen Dialog mit den zuständigen Landesmitarbeitern in Hannover und bescheinigt ihnen eine konstruktive Begleitung: ,,Die machen das ganz toll."
Aber ganz genauso freut er sich über die konstruktive Begleitung der Mitarbeiter im Klinikverbund. Neun aktuelle Informationsveranstaltungen zu je eineinhalb Stunden bietet er ihnen zurzeit an. Die Teilnahme ist freiwillig. Jeder kann seine Anregungen vorbringen. ,,Ich habe bei diesen Treffen schon sehr viele wichtige Impulse erhalten", berichtet Uwe Lorenz.
Will heißen: Die Zentralklinik ist durchaus so etwas wie ein Gemeinschaftsprojekt der verschiedensten Verantwortlichen und Akteure, die im Einklang geltender gesetzlicher Vorschriften handeln müssen. Es ist ein zukunftsgerichtetes, in seinen Notwendigkeiten so extrem detailreiches und komplexes Planungsgebilde, das am Ende nur einen Schluss zulässt: Die Aufgabenfülle beschäftigt die Verantwortlichen wahrscheinlich noch in ihren nächtlichen Träumen.
Kreiszeitung Syke/Weyhe/Stuhr / Kreis und Region, 26.09.2022